Qualifikationsstufen in der Elektrotechnischen Weiterbildung – Verschiedene Terminologien
| Benjamin Klumpp | Rechtssichere Organisation Elektrotechnik
Undurchsichtige Seminarangebote
Immer wieder stolpert man über fragwürdige Seminarangebote auf dem Markt. Es werden Schulungen mit der Bezeichnung „Möbelfachkraft für festgelegte Tätigkeiten“, oder „Unterwiesene Person für festgelegte Tätigkeiten“ beworben. Es werden bewusst eigene Namenskreationen vergeben, welche den offiziellen Bezeichnungen sehr ähnlich sind. Die DIN VDE gibt zusammen mit der DGUV klare Anforderungen an das Personal im Bereich der Elektrotechnik und deren Qualifikationsstufen wieder – solch Seminare umfassen dabei meist nicht den geforderten Mindestumfang.
Der Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person, muss die Auswahlverantwortung übernehmen und dabei entscheiden, ob das vermittelte Wissen für die durchzuführenden Tätigkeiten ausreichend ist.
Es gilt sich also schon vorab zu informieren, über:
- die zu verrichtende Tätigkeit,
- die dabei auftretenden Gefahren und
- das vermittelte Wissen.
Betriebsinterne Unterweisungen zu der Arbeitsstätte, zu besonderen Gefährdungen und zu den Tätigkeiten müssen trotzdem immer noch stattfinden.
Welche Qualifikationsstufe ist erforderlich
Personen, die im Bereich der Elektrotechnik tätig werden, treffen auf besondere, mit den menschlichen Sinnen nicht wahrnehmbare Gefährdungen. Dementsprechend müssen Mitarbeiter aus dem Elektrotechnischen Bereich speziell ausgebildet und unterwiesen werden.
Der Arbeitgeber ist mit seiner Fürsorgepflicht nach § 618 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes so zu treffen, dass die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten nicht beeinträchtigt wird.
Dabei hat er nach § 3 Arbeitsschutzgesetzt (ArbSchG) für eine geeignete Organisation zu sorgen, welche die passenden Maßnahmen gegen die Gefährdungen des Beschäftigten umzusetzen hat. Welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes notwendig sind, ergibt sich durch die Beurteilung der Gefährdungen (§ 5 ArbSchG). Hierbei werden in der genannten Reihenfolge erst technische, dann organisatorische und letztlich auch persönliche Maßnahmen (TOP Prinzip) ermittelt, um die Gefährdung zu reduzieren.
Je nach auszuführender Tätigkeit sind unterschiedliche Voraussetzungen zu erfüllen, um die Arbeit ordnungsgemäß und sicher auszuführen. So fordert, neben dem § 12 ArbSchG, auch die
DIN VDE 0105-100:2015-10 „Betrieb von elektrischen Anlagen“ unter Punkt 7.2.3 das Instandhaltungspersonal ausreichend unterwiesen oder fachlich ausgebildet sein muss, um diese Tätigkeiten ausführen zu können.
Qualifikationsstufen der VDE
Die persönliche, soziale und besonders die fachliche Kompetenz des Mitarbeiters spielen hierbei eine wesentliche Rolle.
Damit eine Einstufung der fachlichen Kompetenz stattfinden kann, listet die VDE verschiedene Qualifikationsstufen im Bereich der Elektrotechnik mit ihren jeweiligen Anforderungen auf.
DIN VDE 1000-10:2021-06
Um eine Möglichkeit aufzuzeigen die Regeln des Arbeitsschutzes und der DGUV Vorschrift 3 (Elektrische Anlagen und Betriebsmittel) umzusetzen, wurde 1995 die DIN VDE 1000-10 „Anforderungen an die im Bereich der Elektrotechnik tätigen Personen“ veröffentlicht. Neu überarbeitet und am 01.06.2021 in Kraft getreten, gibt auch die aktuelle Ausgabe die „Anforderungen an die im Bereich der Elektrotechnik tätigen Personen“ wieder.
Hier werden Anforderungen an die fachliche Qualifikation festgelegt, die von Bedeutung für die elektr. Tätigkeiten sind. Der Anwendungsbereich der Norm umfasst die folgenden Aufgaben und Tätigkeiten, wenn diese von Bedeutung für die elektrische Sicherheit sind:
- Planen, Projektieren, Konstruieren
- Einsetzen von Arbeitskräften
- Errichten
- Prüfen
- Betreiben
- Ändern
Elektrofachkraft (EFK)
Eine Elektrofachkraft ist, wer aufgrund seiner fachlichen Ausbildung, Kenntnisse und Erfahrungen sowie Kenntnis der einschlägigen Bestimmungen die ihr übertragenen Arbeiten beurteilen und mögliche Gefahren erkennen kann. DGUV Vorschrift 3 § 2 Abs. 3; VDE 1000-10 Punkt 3.1
Die Elektrofachkraft ist somit keine direkte Berufsbezeichnung und nicht jede Person mit einem Gesellenbrief im Elektrotechnischen Bereich gilt als Elektrofachkraft. Sie muss z. B. mit regelmäßigen Unterweisungen über die aktuellen Regelwerksänderungen informiert werden. So kann sie Ihre Arbeit eigenständig beurteilen und die daraus resultierende Gefahr erkennen.
Elektrotechnisch unterwiesene Person (EuP)
Person, die durch eine Elektrofachkraft über die ihr übertragenen Aufgaben und die möglichen Gefahren bei unsachgemäßem Verhalten unterrichtet und erforderlichenfalls angelernt sowie hinsichtlich der notwendigen Schutzeinrichtungen, persönlichen Schutzausrüstungen und Schutzmaßnahmen unterwiesen wurde. VDE 1000-10 Punkt 3.3
Eine EuP darf nach erfolgter Unterweisung z. B. eine abgeschlossene elektrische Betriebsstätte betreten oder eine Schaltgerätekombination öffnen und eine Quittiertätigkeit an einem Schutzorgan ausführen. Diese Qualifikationsstufe wird in der Praxis für Hausmeister oder in der Industrie für den Schichtbetrieb genutzt. Eine EuP arbeitet nur unter Leitung und Aufsicht einer EFK und hat keine fachlichen Entscheidungen zu treffen.
Die DIN VDE 0105-100 hat noch weitere Festlegungen getroffen, welche Tätigkeiten von einer EuP durchgeführt werden dürfen, wenn durch Unterweisungen die notwendigen Voraussetzungen geschaffen wurden.
Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten (EFKffT)
Wer ein Handwerk nach § 1 Abs. 1 (HWO) betreibt, kann hierbei auch Arbeiten in anderen Handwerken nach § 1 Abs. 1. ausführen, wenn sie mit dem Leistungsangebot seines Gewerbes technisch oder fachlich zusammenhängen oder es wirtschaftlich ergänzen. (§ 5 Handwerksordnung (HWO))
Die „Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten (EFKffT)“ wurde in Anlehnung an diese Verordnung in der DGUV Vorschrift 3 und DGUV Vorschrift 4 mit aufgenommen. Die Ausbildungskriterien werden in dem DGUV Grundsatz 303-001 beschrieben.
Ein typisches Beispiel für eine EFKffT ist der Küchenbauer, welcher im Zuge des Küchenaufbau ebenfalls den E-Herd mit anschließt. Er darf jedoch nur festgelegte (gleichartige und sich wiederholende) Tätigkeiten an Betriebsmitteln unter Beachtung der hierfür geltenden Arbeitsanweisung durchführen.
Auswahlverantwortung des Unternehmers
Elektrofachkräfte und Elektrofachkraft für festgelegte Tätigkeiten dürfen im Rahmen ihrer Qualifikation und Beauftragung ihre Tätigkeiten selbstständig durchführen. Von der elektrotechnisch unterwiesene Person (EuP) wir keine Selbstständigkeit erwartet, sie darf nur unter Leitung und Aufsicht einer Elektrofachkraft ihre freigegebenen Tätigkeiten ausführen.
Kann der Arbeitgeber die Arbeiten, Gefährdungen und fachliche Kompetenz der Mitarbeiter nicht beurteilen, so besteht nach § 13 ArbSchG die Möglichkeit eine fachkundige Person mit dieser Aufgabe zu beauftragen. Aus dem Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) § 130 Abs. 1 geht deutlich hervor, dass der Unternehmer oder eine beauftragte Person für die sorgfältige Auswahl des Personals verantwortlich ist.
In der Praxis kommt es dabei häufig zu Problemen bei der Unterscheidung zwischen den einzelnen Qualifikationsstufen. Diese Terminologien stellen nur einen kleinen Einblick in die benötigten Anforderungen an das Personal dar. Denn: Eine Elektrofachkraft, die umfassend für alle elektrotechnischen Arbeitsgebiete ausgebildet und qualifiziert ist, gibt es nicht (DIN VDE 1000-10:2021-06 Erläuterung zu 4.3). Dementsprechend ist das Wissen und die Auswahlverantwortung in Bezug auf die verschiedenen Qualifikationsstufen und Arbeiten im Bereich der Elektrotechnik von hoher Bedeutung.
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