Klarstellung: VEFK – Technische Führungskraft – Anlagenbetreiber
| René Rethfeldt | VEFK, Rechtssichere Organisation Elektrotechnik
Praxisfrage:
Wie sind die Begrifflichkeiten „Verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK)“ nach VDE 1000-10, „Technische Führungskraft“ nach VDE AR-N 4001 und „Anlagenbetreiber“ nach VDE 0105-100 inhaltlich einzuordnen. Sind diese Qualifikationsstufen/Rollen aus elektrotechnischer Sicht ein und dieselbe Person?
Antwort:
Verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK) nach VDE 1000-10
Die VDE 1000-10 legt die Anforderungen an die fachliche Qualifikation der im Bereich der Elektrotechnik tätigen Personen fest, die im Rahmen ihrer Aufgaben Tätigkeiten ausführen, die von Bedeutung für die elektrische Sicherheit sind. Solche Tätigkeiten sind insbesondere Planen, Projektieren, Konstruieren; Einsetzen von Arbeitskräften; Errichten; Prüfen; Betreiben; Ändern.
Für die verantwortliche fachliche Leitung in einem elektrotechnischen Betrieb oder Betriebsteil ist eine Person erforderlich, die die Anforderungen an eine Verantwortliche Elektrofachkraft (VEFK) erfüllt. Eine VEFK wird gemäß Abs. 3.2 definiert als Person, die als Elektrofachkraft (EFK) Fachverantwortung trägt und darüber hinaus mit der Wahrnehmung von Unternehmerpflichten hinsichtlich der elektrotechnischen Anforderungen beauftragt ist. Die Anmerkung zur Begriffsdefinition beschreibt, dass Unternehmerpflichten z. B. Organisations-, Fürsorge-, Auswahl- und Kontrollpflicht sind.
Die Grundlage für die Qualifikation einer EFK ist in der Regel durch eine Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf zum Gesellen oder zum Facharbeiter im Arbeitsgebiet der Elektrotechnik vorhanden. Für die Qualifikation als VEFK wird gemäß Abschnitt 4.4 grundsätzlich eine Ausbildung zum staatlich geprüften Techniker, zum Industrie- oder Handwerksmeister, zum Diplomingenieur, Bachelor oder Master im Arbeitsgebiet der Elektrotechnik vorausgesetzt.
Anlagenbetreiber Elektrotechnik nach VDE 0105-100
Die VDE 0105-100 gilt für das Bedienen von und alle Arbeiten an, mit oder in der Nähe von elektrischen Anlagen aller Spannungsebenen von Kleinspannung bis Hochspannung. Der Anlagenbetreiber Elektrotechnik nach VDE 0105-100 Abs. 3.2.1 ist eine Person mit der Gesamtverantwortung für den sicheren Betrieb der elektrischen Anlage, die Regeln und Randbedingungen der Organisation vorgibt. Die Anmerkung zur Begriffsdefinition stellt klar, dass diese Person der Eigentümer, Unternehmer, Besitzer oder eine beauftragte Person sein kann, die die Unternehmerpflichten wahrnimmt.
Zu den klassischen Aufgaben des Anlagenbetreibers gehört es, für seine elektrischen Anlagen, z. B. durch Inspektions-, Instandsetzungs- und Wartungsarbeiten, den ordnungsgemäßen und sicheren Betrieb der elektrischen Anlagen zu gewährleisten.
Folglich der Ausführungen der VDE -Schriftenreihe 13, Seite 65, muss „der Anlagenbetreiber nicht Elektrofachkraft sein. In diesem Fall muss er durch Beauftragung einer Elektrofachkraft die aus seiner Verantwortung entstehenden Rechte und Pflichten übertragen, um den ordnungsgemäßen und sicheren Betrieb der elektrischen Anlagen zu gewährleisten.“
Eine Person gilt als Elektrofachkraft, wenn sie mit geeigneter fachlicher Ausbildung, Kenntnissen und Erfahrung, Gefahren erkennen und vermeiden kann, die von der Elektrizität ausgehen können.
In Bezug auf die Rolle des Verfahrenstechnischen Gesamtanlagenbetreibers (Betreiber), also dem Arbeitgeber/ Unternehmer oder eine von ihm beauftragte Führungskraft, bedeutet dies, dass er sich einer zuverlässigen und fachkundigen Person schriftlich bedienen muss (Pflichten- und Kompetenzzuweisung), wenn er in Bezug auf die hier thematisierten elektrotechnischen Gefährdungen nicht über die erforderlichen zeitlichen und/ oder fachlichen Ressourcen verfügt. In der Regel und unter Bezugnahme der normativen Anforderungen an die im Bereich der Elektrotechnik tätigen Personen, übernimmt eine Verantwortliche Elektrofachkraft die Rolle des elektrotechnischen Anlagenbetreibers nach VDE 0105-100 in Unternehmen, die über einen elektrotechnischen Betrieb bzw. Betriebsteil verfügen.
Technische Führungskraft nach VDE-AR-N 4001
Die VDE-Anwendungsregel 4001 enthält Anforderungen an die Qualifikation des Personals und die Organisation für Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen im Sinne des EnWG. Eine technische Führungskraft nach der VDE AR-N 4001 ist im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben und Tätigkeitsfelder im Sinne des Abschnittes 5 dieser Anwendungsregel verantwortlich.
Der Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen muss selbst oder in Verbindung mit einem Vertragspartner die erforderlichen Einflussmöglichkeiten zur Erfüllung ihrer Aufgaben und Tätigkeitsfelder im technischen Bereich einräumen. Die technische Führungskraft muss über die erforderlichen Befugnisse verfügen, um in sicherheitsrelevanten Angelegenheiten eigenverantwortlich handeln zu können und zur Erfüllung der genannten Aufgaben und Tätigkeitsfelder ist ihr das erforderliche Fachpersonal fachlich zuzuordnen.
Die technische Führungskraft muss Elektrofachkraft im Sinne der VDE 0105-100 sein und über die erforderlichen Fachkenntnisse für die ihr übertragenen Aufgaben und Tätigkeitsfelder verfügen. Für die Qualifikation als technische Führungskraft wird grundsätzlich eine Zusatzausbildung zum staatlich geprüften Techniker, zum Industrie- oder Handwerksmeister, zum Diplomingenieur, Bachelor oder Master im Arbeitsgebiet der Elektrotechnik vorausgesetzt. Zudem muss die technische Führungskraft über eine qualifizierte, grundsätzlich dreijährige Berufserfahrung in verantwortlicher Position bei einem Betreiber von Elektrizitätsversorgungsnetzen oder einem vergleichbaren Unternehmen verfügen.
Fazit
Die Anforderungen an eine Rechtssichere Organisation im Bereich der Elektrotechnik bedingt grundlegend die Sicherstellung der angemessenen Qualifikation von im Bereich der Elektrotechnik tätigen Personen sowie der Gewährleistung des sicheren und ordnungsgemäßen Betriebs elektrischer Anlagen.
Die verschiedenen Begrifflichkeiten, im Sinne von Qualifikationsstufen und Rollen, d. h. Verantwortliche Elektrofachkraft (gem. VDE 1000-10), technische Führungskraft (gem. VDE-AR-N 4001) und Anlagenbetreiber (gem. VDE 0105-100 aus Sicht der Elektrotechnik) haben ihren Ursprung in verschiedenen einschlägigen Regelwerken. Anwendungsbereich und Sichtweise der betreffenden anerkannten Regeln der Technik sind durchaus aus einem anderen Kontext heraus, verfolgen aber die gleiche grundlegende Zielstellung. Verschiedene Verantwortlichkeiten mit deren Bezeichnungen bedeuten daher nicht zwingend unterschiedliche Personen.
Vielmehr ist es nachvollziehbar, dass beispielsweise eine „technische Führungskraft“ im Geltungsbereich des Betriebs von Elektrizitätsversorgungsnetzen im Sinne des EnWG aus Sicht des Arbeitsschutzgesetzes sowie der DGUV Vorschrift 1 nichts anderes als die Verantwortliche Elektrofachkraft gemäß VDE 1000-10 Abs. 4.4 darstellt.
Die gleiche Betrachtungsweise trifft auf den Anlagenbetreiber Elektrotechnik gemäß VDE 0105-100 zu. Auch hier sind die dort festgelegten Rollen durch geeignete Personen mit der korrekten Qualifikation zu besetzen.
Da in der Praxis immer wieder die Frage aufkommt, inwieweit schriftliche Beauftragungen mehrfach zu tätigen sind, führt die VDE 1000-10:2021-06 im Anhang A zu Abschnitt 3.2 der VDE 1000-10 korrekterweise aus, dass
„In einzelnen Branchen sind auch andere Bezeichnungen für ähnliche oder sogar gleiche Aufgaben gebräuchlich, unter anderem für Netzbetreiber beispielsweise die „technische Führungskraft“ nach VDE-AR-N 4001. Eine Doppelbeauftragung ist nicht notwendig.“
Daher sind schriftliche Beauftragungen inkl. Verantwortungsbereich, Schnittstellenabgrenzung und im Besonderen die Konkretisierung von Aufgaben, Pflichten und Kompetenzen beim Aufbau einer rechtssicheren Organisationsstruktur im Bereich der Elektrotechnik unerlässlich. Je nach Art, Größe und Aufbau des Unternehmens hat der Arbeitgeber die jeweiligen Verantwortlichkeiten einschließlich dazu erforderlicher Befähigung schriftlich sicherzustellen.
Dabei muss der Fokus nachweislich auf Inhalt und Schutzzielerreichung und nicht dem „Jonglieren“ von Begrifflichkeiten liegen.
Autor:
René Rethfeldt, MEBEDO Akademie GmbH und MEBEDO Consulting GmbH, Geschäftsführer und BDSH e. V. geprüfter Sachverständiger Elektrotechnik
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