Sind Elektrofahrzeuge Arbeitsmittel gemäß BetrSichV? Welche Prüfungen sind durchzuführen?

| Michael Schäfer | Prüfen & Praxis, Sicherheit, Zukunftsthemen

E-Auto Dienstwagen

Der Markt für E-Fahrzeuge „nimmt Fahrt auf“. In diesem Zusammenhang muss dem Arbeitgeber/Betreiber klar sein, dass die einschlägigen Regelwerksanforderungen inklusive dem Thema „Elektrosicherheit“ umzusetzen sind. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich dieser Beitrag zunächst mit der Kernfrage, inwieweit Elektrofahrzeuge auch Arbeitsmittel gemäß Betriebssicherheitsverordnung sind, und welche grundlegenden innerbetrieblichen Maßnahmen umzusetzen sind.

Was sind Arbeitsmittel gemäß Betriebssicherheitsverordnung?

Arbeitsmittel gemäß § 2 Abs. 1 der Betriebssicherheitsverordnung sind Werkzeuge, Geräte, Maschinen oder Anlagen, die für die Arbeit verwendet werden, sowie überwachungsbedürftige Anlagen. Damit umfassen Arbeitsmittel neben einfachen Handgeräten, wie z. B. eine Handbohrmaschine, auch die vom Arbeitgeber bereitgestellten und betrieblich genutzten Fahrzeuge. Hierzu zählen auch die Firmen- oder Dienstfahrzeuge, unabhängig von der eingesetzten Antriebstechnologie, also auch Hybrid- und Elektrofahrzeuge. Der Länderausschuss für Arbeitsschutz und Sicherheitstechnik (LASI) weist in seinen Leitlinien zur Betriebssicherheitsverordnung LV 35 ausdrücklich darauf hin, dass alle Fahrzeuge, die von einem Arbeitgeber bereitgestellt werden und von den Beschäftigten bei deren Tätigkeit benutzt werden, zu den Arbeitsmitteln im Sinne des § 2 Abs. 1 der Betriebssicherheitsverordnung zählen.

Gefährdungsbeurteilung für Fahrzeuge

GefaehrdungsbeurteilungenIm Rahmen der Gefährdungsbeurteilung nach § 3 der Betriebssicherheitsverordnung muss der Betreiber beim Einsatz von Fahrzeugen technische, organisatorische und persönliche Maßnahmen (TOP-Prinzip) ergreifen, wie z. B. die für den Fahrzeugeinsatz erforderliche Fahrzeugkonfiguration, welche als technische Maßnahme die notwendige Sicherheitsausrüstung des Fahrzeugs bei Beschaffung berücksichtigt. Wird beispielsweise in dem Fahrzeug viel transportiert, muss dieses Fahrzeug auch so ausgerüstet sein, dass die Ladung sicher verstaut und gesichert werden kann. Ergonomische Aspekte, wie z. B. ein ergonomisch einstellbarer Fahrersitz, spielen im Rahmen der Beschaffung auch eine wichtige Rolle. Aber auch organisatorische Maßnahmen müssen Berücksichtigung finden. So muss der Betreiber sicherstellen, dass die Dienstwagenfahrer auch die notwendige Legitimation zum Führen eines Fahrzeugs haben. Hier kommt der regelmäßigen Führerscheinkontrolle erhebliche Bedeutung zu. Zu den personenbezogenen Maßnahmen gehören unter anderem die Einweisung der Beschäftigten in das Fahrzeug, sowie eine Unterweisung im Umgang mit dem Fahrzeug. Auch die gesundheitliche Eignung spielt eine wichtige Rolle. Diese kann durch eine arbeitsmedizinische Untersuchung in Anlehnung an den DGUV Grundsatz G 25 nachgewiesen werden.

Prüfung

Unter die technischen Maßnahmen fällt auch, dass die Fahrzeuge entsprechend den Vorgaben der Betriebssicherheitsverordnung regelmäßig geprüft werden. Dabei ist zu beachten, dass gewerblich genutzte Fahrzeuge ohnehin schon seit langer Zeit gemäß den Vorschriften der Unfallversicherer geprüft werden müssen. Die aktuelle Vorschrift bzgl. gewerblich genutzter Fahrzeuge ist die DGUV Vorschrift 70 „Fahrzeuge“.

Prüffristen

Gemäß der Betriebssicherheitsverordnung ist die Zeitspanne zwischen den regelmäßigen Prüfungen im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung zu ermitteln. Dabei sind auch die Art und Umfang der Prüfung, sowie auch Befähigung der mit der Prüfung beauftragten Person festzulegen. Als Hilfestellung bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung kann die DGUV Vorschrift 70 „Fahrzeuge“, der DGUV Grundsatz 314-003 „Prüfung von Fahrzeugen auf Betriebssicherheit“, die Betriebsanleitungen sowie Wartungs- und Prüfvorgaben der Fahrzeughersteller herangezogen werden. Die DGUV Vorschrift 70 „Fahrzeuge“ gibt ein Prüfintervall von mindestens einmal jährlich vor.

Prüfgrundsätze des Fahrzeugs

Die Betriebssicherheit der Fahrzeuge wird in dem DGUV Grundsatz 314-003 „Prüfung von Fahrzeugen auf Betriebssicherheit“ als Kombination aus Verkehrssicherheit und Arbeitssicherheit definiert. Für die fachgerechte Prüfung des betriebssicheren Zustands der Fahrzeuge sollte der DGUV Grundsatz 314-003 „Prüfung von Fahrzeugen auf Betriebssicherheit“ als Grundlage beachtet werden. Der Grundsatz beschreibt, wie die fachliche Beurteilung des betriebssicheren Zustands von konventionellen Fahrzeugen durchzuführen ist. Für die Hochvolt-Komponenten gibt es in diesem Grundsatz bis dato keine besonderen, sondern nur allgemeine Hinweise. Auf der Internetseite der BG Verkehr gibt es eine größere Anzahl von Prüflisten zum Download, die hierzu eingesetzt werden können. Spezielle Normen, die den Prüfumfang für die wiederkehrende Prüfung des Hochvoltsystems des Fahrzeuges festlegen, gibt es aktuell leider noch nicht. Es kann aber die Richtlinie ECE R 100 „UN-Regelung Nr. 100 — Einheitliche Bedingungen für die Genehmigung der Fahrzeuge hinsichtlich der besonderen Anforderungen an den Elektroantrieb [2021/2190]“ herangezogen werden. Zusätzlich kann die Diagnosefähigkeit der vorhandenen Hochvolt-Komponenten eine Prüfung des Hochvoltsystems unterstützen. Aus diesem Grund sind die Betriebsanleitung, sowie Wartungs- und Prüfvorgaben des Fahrzeugherstellers von großer Bedeutung und sollten unbedingt beachtet werden.

Weitere Prüfungen

Ein weiterer Aspekt bei gewerbsmäßig genutzten Elektrofahrzeugen sind die dazugehörigen Ladeleitungen. Diese sind als ortsveränderliche Arbeitsmittel gemäß Betriebssicherheitsverordnung und als ortsveränderliche elektrische Betriebsmittel gemäß DGUV Vorschrift 3 und 4 „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ einzustufen und müssen daher auch wiederkehrend geprüft werden. Die ortsveränderlichen Ladeleitungen für die Elektrofahrzeuge gibt es in der Bauform mit den Steckertypen Typ 1, Typ 2 (IEC 62196-2) oder als Ladeleitung mit Stecker zum Anschluss an einer üblichen Haushaltssteckdose (Schuko- oder CEE-Stecker) mit integrierter Steuer- und Schutzeinrichtung („In Cable Control and Protection Device“ IC-CPD) in der Ladeleitung. Die bisherigen Praxiserfahrungen haben gezeigt, dass insbesondere die zuletzt genannten „IC-CPDs“ sehr häufig nicht bestimmungsgemäß verwendet und Herstellerangaben nicht beachtet werden.
Auch für die Ladeleitungen gilt, dass die Fristen für wiederkehrende Prüfungen gemäß DGUV Vorschrift 3 und 4 „Elektrische Anlagen und Betriebsmittel“ so zu bemessen sind, dass entstehende Mängel, mit denen gerechnet werden muss, rechtzeitig festgestellt werden. Die zuvor genannten Ladeleitungen für die Elektrofahrzeuge werden nach der VDE 0702 und der DGUV Information 203-070 „Wiederkehrende Prüfung ortsveränderlicher elektrischer Arbeitsmittel – Fachwissen für den Prüfer“ geprüft. Hinzu kommen weitere Normen für die Prüfumfänge, insbesondere die VDE 0122-1 „Konduktive Ladesysteme für Elektrofahrzeuge Teil 1: Allgemeine Anforderungen“. Für die meisten Prüfungen können die üblichen Prüfgeräte inklusive der dazu notwendigen und speziellen Prüfadapter eingesetzt werden. Für die Prüfung der IC-CPDs wird aber ein Prüfgerät benötigt, dass auch den eingebauten Fehlerstromschutzschalter, inklusive der Funktionsfähigkeit der 6 mA DC-Abschaltung, nachweisen kann.

Fazit

Fahrzeuge, wie auch Elektrofahrzeuge, fallen unter den Anwendungsbereich der Betriebssicherheitsverordnung und müssen dementsprechend wiederkehrend geprüft werden. Gleiches gilt auch für die Ladeleitungen. Idealerweise wird, um den Aufwand der Organisation der Prüfungen zu minimieren, die Prüfung des Fahrzeugs und der Ladeleitung kombiniert. Hierbei ist auf die entsprechende Befähigung der prüfenden Person zu achten. Die Ladeleitungen sollen auch, wie in der FAQ-Liste der AG „Handlungsrahmen Elektromobilität“ der DGUV beschrieben, durch Fachkundige Personen für Hochvoltsysteme (DGUV Information 209-093 „Qualifizierung für Arbeiten an Fahrzeugen mit Hochvoltsystemen“) (FHV) der Stufe 2 oder höher, mit speziellen Voraussetzungen, geprüft werden können. Zu diesen Voraussetzungen gehören unter anderem eine spezielle Weiterbildung und die Benutzung von spezifischen für diese Prüfung ausgelegten Prüfgeräten.

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