Stand der Technik – Regeln der Technik – die Drei-Stufen-Theorie
| Hartmut Hardt | Normen & Regelwerke, Rechtssichere Organisation Elektrotechnik
Drei-Stufen-Theorie des Bundesverfassungsgerichts (Kalkar-Beschluss)
1. Stufe – Regeln der Technik
In der ersten Stufe der Drei-Stufen-Theorie geht es um die allgemein anerkannten Regeln der Technik. Allgemein anerkannte Regeln der Technik verkörpern das Fachwissen der Verkehrskreise, das in diesen als grundlegend und einleuchtend erkannt wird. Sie müssen wissenschaftlich begründet, praktisch bewährt und ausreichend erprobt sein.
Sie sind von Fachleuten im Konsens erarbeitet und gelten als untergesetzliches Regelwerk. Ihnen wohnt eine widerlegbare Vermutungswirkung des ordnungsgemäßen und sorgfältigen Handelns inne. Es gilt, dass bei Anwendung der allgemein anerkannten Regeln der Technik sicher und funktionstauglich betrieben werden kann. Abweichungen von den Regeln der Technik haben einerseits strafrechtliche Konsequenzen (siehe § 319 StGB – Baugefährdung) und stellen andererseits einen zivilrechtlichen Mangel dar.
Eine allgemein anerkannte Regel der Technik ist als unterstes Sicherheitsniveau die herrschende Auffassung unter den technischen Praktikern, weshalb dieser Maßstab „stets hinter einer weiterstrebenden technischen Entwicklung hinterherhinkt“.
Beispiel: Der Einsatz von Fehlerstrom-Schutzeinrichtungen (RCD) als Personenschutz in Steckdosen-Stromkreisen ist seit vielen Jahren in den Regelwerken enthalten, teilweise schon seit fast 40 Jahren. Diese Regelwerke (also die DIN VDE 0100-701 und DIN VDE 0100-410) gelten als „Allgemein anerkannte Regel der Technik“.
2. Stufe der Drei-Stufen-Theorie – Stand der Technik
Stand der Technik ist der Entwicklungsstand fortschrittlicher Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen, der die praktische Eignung einer Maßnahme oder Vorgehensweise zum Schutz der Gesundheit und zur Sicherheit der Beschäftigten oder anderer Personen gesichert erscheinen lässt. Bei der Bestimmung des Stands der Technik sind insbesondere vergleichbare Verfahren, Einrichtungen oder Betriebsweisen heranzuziehen, die mit Erfolg in der Praxis erprobt worden sind, siehe § 2 Abs. 5 BetrSichV.
Der Stand der Technik geht über die anerkannten Regeln der Technik hinaus und verkörpert das neuzeitliche Wissen. Wesentliches Element zur Bestimmung des Stands der Technik ist die dynamische Betrachtung des aktuellen technischen Entwicklungsstands.
Das bedeutet, sich an der Front der technischen Entwicklung zu bewegen.
Beispiel: In der Fachwelt ist es unumstritten, dass für viele Anwendungen eine Fehlerstrom-Schutzeinrichtung Typ A nicht mehr ausreichend ist. Anstatt des Typs A sind dann allstromsensitive Fehlerstrom-Schutzeinrichtung Typ B erforderlich, um den Personenschutz zu gewährleisten. Es gibt bisher nur wenige Fundstellen in Regelwerken, die dies zumindest für Neuanlagen fordern. Es ist viel mehr „Stand der Technik“ dies bei Neuanlagen und teilweise als Nachrüstung im Bestand so umzusetzen.
3. Stufe der Drei-Stufen-Theorie – Stand von Wissenschaft und Technik
Stand von Wissenschaft und Technik bildet als 3. Stufe das höchste Sicherheitsniveau.
Der Stand von Wissenschaft und Technik als höchstes Anforderungsniveau spielt z. B. eine Rolle im Atom- und Gentechnikrecht. Hierbei werden neueste, zum Teil auch nur theoretische Erkenntnisse zum Maßstab der einzuhaltenden besonderen Sorgfalt gemacht.
Diese 3. Stufe spielt für die Spezialisten in der Elektrotechnik eine untergeordnete Rolle.
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