Neue TRBS 1111 für Gefährdungsbeurteilungen

| Stefan Euler | Normen & Regelwerke, VEFK

TRBS1111

Die Technische Regel für Betriebssicherheit 1111 „Gefährdungsbeurteilung“ wurde erweitert

Die Technische Regel für Betriebssicherheit (TRBS) 1111 Gefährdungsbeurteilung wurde überarbeitet. In der TRBS 1111 werden die Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) konkretisiert. Die neue Fassung bietet ausführlichere Erläuterungen und neue Begriffsbestimmungen. Detaillierter werden vor allem die Grundsätze der Gefährdungsbeurteilung und ihre Durchführung erläutert.

Warum ist die TRBS 1111 wichtig?

Bei Einhaltung der Technischen Regeln kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er mit ihr mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen.

Neue Begriffsbestimmungen in der TRBS 1111

Die TRBS 1111 konkretisiert Anforderungen der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV). Der Ausschuss für Betriebssicherheit, der die TRBS 1111 angepasst hat, sah offenkundig den Bedarf, einige Begriffe zu erläutern. In der TRBS 1111 werden nun acht Begriffe näher erklärt. Diese Erklärungen sollen eine Hilfestellung bieten, wenn es darum geht, Begriffe der Betriebssicherheitsverordnung zu verstehen und in die Praxis umzusetzen. Zwei Beispiele seien hier genannt:

Bestimmungsgemäße und vom Arbeitgeber vorgesehene Verwendung eines Arbeitsmittels nach TRBS 1111

In den neuen Definitionen wird unterschieden zwischen bestimmungsgemäßer Verwendung eines Arbeitsmittels und der vom Arbeitgeber vorgesehenen Verwendung. Die Unterscheidung betrifft vor allem die Schutzmaßnahmen und eine mögliche vereinfachte Vorgehensweise bei der Verwendung von Arbeitsmitteln nach § 7 BetrSichV.

  • Bestimmungsgemäße Verwendung eines Arbeitsmittels ist nach TRBS 1111 diejenige, die der Hersteller festgelegt hat, zusammen mit Schutzmaßnahmen. Als bestimmungsgemäße Verwendung eines Arbeitsmittels im Sinne der TRBS 1111 gilt auch der Betrieb von Anlagen, die der Arbeitgeber in eigener Verantwortung errichtet und für die er im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung Schutzmaßnahmen festgelegt hat.
  • Die vom Arbeitgeber vorgesehene Verwendung eines Arbeitsmittels im Sinne der TRBS 1111 ist die Verwendung, die vom Arbeitgeber unter Berücksichtigung der betrieblichen Einsatzbedingungen und der Art der auszuführenden Arbeiten festgelegt wird. Sie kann von der bestimmungsgemäßen Verwendung abweichen. Die Schutzmaßnahmen des Arbeitgebers sind auf die von ihm vorgesehene Verwendung ausgerichtet.

Arbeitsgegenstände nach TRBS 1111

Der Begriff Arbeitsgegenstände wird in der Betriebssicherheitsverordnung etwa in § 7 BetrSichV verwendet. Damit eine vereinfachte Vorgehensweise bei den Schutzmaßnahmen möglich ist, dürfen unter anderem keine zusätzlichen Gefährdungen der Beschäftigten von Arbeitsgegenständen ausgehen (§ 7 Abs. 1 Nr. 3 BetrSichV). Während die Betriebssicherheitsverordnung Arbeitsmittel in § 2 Abs. 1 BetrSichV definiert als „Werkzeuge, Geräte, Maschinen oder Anlagen, die für die Arbeit verwendet werden, sowie überwachungsbedürftige Anlagen“, gab es keine Begriffsbestimmung der Arbeitsgegenstände. Das hat der Ausschuss für Betriebssicherheit nachgeholt. Nach der TRBS 1111 sind Arbeitsgegenstände die „im Zuge des Arbeitsablaufs unter Verwendung von Arbeitsmitteln transportierten, be- oder verarbeiteten Objekte“.

Zur Fachkunde für die Gefährdungsbeurteilung gehört auch Erfahrungswissen der Beschäftigten

Nur fachkundige Personen dürfen Gefährdungsbeurteilungen durchführen. Fachkundig ist nach der Definition in § 2 Abs. 5 BetrSichV, wer für eine Aufgabe, die in der Betriebssicherheitsverordnung bestimmt wird, über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt. Eine solche Aufgabe ist zum Beispiel das Prüfen, die Instandhaltung oder eben die Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung. Abhängig von der jeweiligen Art der Aufgabe besteht die Fachkunde in der üblichen Anforderungstrias aus

  • Berufsausbildung
  • Berufserfahrung und/oder
  • zeitnah ausgeübter entsprechender beruflicher Tätigkeit (§ 2 BetrSichV Abs. 5).

Die TRBS 1111 ergänzt in Abschnitt 3 (3) für Gefährdungsbeurteilungen: „Die Fachkunde setzt auch Kenntnisse der betrieblichen Gegebenheiten voraus, z. B. Erfahrungswissen von Beschäftigten.“

Bei fehlender Fachkunde: Arbeitgeber muss sich beraten lassen

Ein Arbeitgeber, der nicht selbst über die Fachkunde verfügt, hat sich fachkundig beraten zu lassen (Abschnitt 3 (3)).

Der Arbeitgeber ist verantwortlich für die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung

Verantwortlich für die Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung ist der Arbeitgeber (§ 3 Abs. 1, Satz 1 BetrSichV). In der früheren Fassung der TRBS 1111 wurde noch der Betreiber als der für die sicherheitstechnische Bewertung Verantwortliche genannt. In der überarbeiteten TRBS 1111 (Abschnitt 3 (1)) wird erläutert, dass der Arbeitgeber im Rahmen seiner betrieblichen Organisation verantwortlich für die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung ist. Dazu zählt auch die Dokumentation. Er kann ihm obliegende Aufgaben schriftlich übertragen.

Der Arbeitgeber muss für eine betriebliche Organisation sorgen

Eine Gefährdungsbeurteilung ist kein einmaliger, isolierter Vorgang, sondern ein Prozess, der in eine betriebliche Organisation eingebettet ist und sie voraussetzt. So muss der Arbeitgeber sicherstellen, dass für die gesamte Verwendungsdauer eines Arbeitsmittels die getroffenen Schutzmaßnahmen wirksam sind, sie geprüft werden und bedarfsgerecht dokumentiert werden. Einzelne Vorkehrungen, die der Arbeitgeber zu treffen hat, werden in der TRBS 1111 (Abschnitt 3 (4)) beispielhaft aufgezählt. Das sind unter anderem:

  • Verantwortliche festlegen,
  • Abläufe planen,
  • Schutzmaßnahmen festlegen,
  • Qualifikation der Beschäftigten sicherstellen,
  • Anweisungen erteilen und Beschäftigte unterweisen,
  • Informations- und Meldepflichten festlegen,
  • die Maßnahmen kontrollieren,
  • sicherstellen, dass die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können,
  • Kontrollpflichten gestalten.

Die Gefährdungsbeurteilung beginnt vor der Auswahl und der Beschaffung von Arbeitsmitteln

In der TRBS 1111 werden unter Abschnitt 4 Grundsätze zur Vorgehensweise bei der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung die Forderungen zur Gefährdungsbeurteilung der Betriebssicherheitsverordnung weiter erläutert. Entsprechend der Betriebssicherheitsverordnung

  • muss eine Gefährdungsbeurteilung vor der Auswahl und der Beschaffung von Arbeitsmitteln begonnen werden (§ 3 Abs. 3 Satz 1 BetrSichV),
  • vor der erstmaligen Verwendung eines Arbeitsmittels durchgeführt und dokumentiert werden (§ 3 Abs. 8 BetrSichV) und
  • regelmäßig überprüft werden (§ 3 Abs. 7 BetrSichV).

Wann muss eine Gefährdungsbeurteilung überprüft werden?

Der Arbeitgeber muss die Zeitintervalle für die Überprüfung der Gefährdungsbeurteilung eigenverantwortlich festlegen. Die TRBS 1111 zählt in Abschnitt 4 (3) Beispiele für Anlässe auf, die eine Überprüfung erfordern:

  • sicherheitsrelevante Hinweise von Beschäftigten,
  • Sachschäden, Störungen,
  • Änderungen von Arbeitsverfahren oder
  • Änderung des Stands der Technik.

Bereits in der Betriebssicherheitsverordnung werden Anlässe für eine unverzügliche Aktualisierung der Gefährdungsbeurteilung aufgezählt ( § 3 Abs. 7 BetrSichV).

Die Überprüfung ist in beiden Fällen zu dokumentieren.

Herstellerangaben bei der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigen

In Abschnitt 5 der überarbeiteten TRBS 1111 werden die einzelnen Schritte einer Gefährdungsbeurteilung erläutert.

Bei der Ermittlung von Gefährdungen müssen in der neuen Fassung der Technischen Regel 1111 die Herstellerangaben stärker berücksichtigt werden.

Die Gefährdungen sind ähnlich wie in den novellierten Verordnungen der vergangenen Jahre um die Gefährdung durch Arbeitsumgebungsbedingungen (z. B. Klima, Beleuchtung), durch physische Belastungen (z. B. manuelle Tätigkeiten wie die Handhabung von Lasten) oder durch psychische Belastungen erweitert worden.

Beschaffungsprozess Teil der Gefährdungsbeurteilung

In der neuen Fassung der TRBS 1111 wurde das Diagramm erweitert, das die Prozessschritte zur Erstellung einer Gefährdungsbeurteilung darstellt. Ausführlich werden nun auch die Maßnahmen grafisch hervorgehoben, die bei Beschaffung eines Arbeitsmittels zur berücksichtigen sind (und in der Empfehlung zur Betriebssicherheit (EmpfBS) 1113 zusammengefasst sind).

Erläuterungen zur vereinfachten Vorgehensweise

Unter bestimmten Voraussetzungen (§ 7 Abs. 1 BetrSichV) kann der Arbeitgeber auf einige Schutzmaßnahmen bei der Verwendung von Arbeitsmitteln verzichten, etwa auf Vorkehrungen, mit denen er sicherstellt, dass Schutzeinrichtungen nicht auf einfache Weise umgangen werden können (§ 9 Abs. 3 Nr. 6 BetrSichV)

Die überarbeitete TRBS 1111 erläutert die Voraussetzungen für die vereinfachte Vorgehensweise nach § 7 BetrSichV. Zum Beispiel ist die vereinfachte Vorgehensweise in der Regel nur mit neuen, verwendungsfertigen Arbeitsmitteln möglich. Die Arbeitsmittel für die Anwendung nach § 7 BetrSichV müssen Rechtsvorschriften wie dem Produktsicherheitsgesetz (ProdSG) und zugehörigen Verordnungen, mit denen Gemeinschaftsrichtlinien in deutsches Recht umgesetzt werden, entsprechen. Diese Voraussetzung kann zum Beispiel als erfüllt betrachtet werden, wenn für das Arbeitsmittel eine erforderliche CE -Kennzeichnung, eine EU-Konformitätserklärung sowie eine Betriebsanleitung des Herstellers vorliegt und keine offensichtlichen Mängel erkennbar sind.

Unabhängig davon müssen die anderen Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 BetrSichV erfüllt sein, wie die ausschließlich bestimmungsgemäße Verwendung der Arbeitsmittel entsprechend den Vorgaben des Herstellers; es dürfen zudem keine zusätzlichen Gefährdungen der Beschäftigten durch Arbeitsumgebung, Arbeitsgegenstände, Arbeitsabläufe sowie der Dauer und der zeitlichen Lage der Arbeitszeit entstehen. Auch Instandhaltungsmaßnahmen und Prüfungen müssen durchgeführt werden.
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