Die neue MPBetreibV – was gilt es zu beachten?
| Florian Scheller | MEBEDO, Normen & Regelwerke, Prüfen & Praxis, Rechtssichere Organisation Elektrotechnik, Seminare und Schulungen
Die Medizinprodukte‑Betreiberverordnung (MPBetreibV) wurde am 20. Februar 2025 vollständig neu gefasst und an die Anforderungen der EU‑Medical‑Device‑Regulation (MDR/IVDR) angepasst. Die Verordnung trägt inzwischen bewusst den Überbegriff „Produkte“ – damit werden nicht nur klassische medizinische Geräte, sondern unter anderem auch Software, In‑vitro‑Diagnostika und Zubehör umfasst.
Für Betreiber und Benutzer medizinischer elektrischer Geräte gibt es mehrere wesentliche Änderungen. Im Folgenden die wichtigsten Punkte.
Neue Begriffe und klare Zuständigkeiten
Produkte statt Medizinprodukte: Die neue MPBetreibV bezieht sich auf das Betreiben und Benutzen von Produkten (siehe Medizinprodukterecht‑Durchführungsgesetz). Dazu zählen unter anderem medizinische Software, bestimmte in‑vitro‑Diagnostika und Kombinationsprodukte. Betreiber müssen somit auch den Lebenszyklus rein digitaler Medizinprodukte im Blick behalten.
Benutzer und Versorgender: Der Begriff „Benutzer“ ersetzt den bisherigen „Anwender“ und bezeichnet Personen, die ein Produkt am Patienten einsetzen. Zusätzlich definiert § 2 einen „Versorgenden“ als jede Einrichtung, die aufgrund gesetzlicher oder vertraglicher Verpflichtung Produkte bereitstellen muss, z. B. Kranken- oder Pflegekassen.
Wer ist Betreiber?
Betreiber eines Produktes ist jede natürliche oder juristische Person, die für den Betrieb der Gesundheitseinrichtung verantwortlich ist, in der das Produkt durch ihre Beschäftigten benutzt wird. Bringt ein Angehöriger eines Heilberufs (z. B. Physiotherapeuten, Gesundheits- und Krankenpfleger etc.) ein eigenes Medizinprodukt in eine Einrichtung mit, gilt dieser als Betreiber. Außerhalb von Gesundheitseinrichtungen wird derjenige Betreiber, der Produkte zur Benutzung bereithält. Diese klare Zuordnung im Hinblick auf die möglichen Betreiberkonstellationen ist wichtig für Krankenhäuser, Arztpraxen, Pflegeheime, Rettungsdienste, Krankenkassen oder Betriebe, die Medizinprodukte (z. B. AEDs) bereithalten – denn sie bestimmt, wer die Pflichten für Instandhaltung, Einweisung und Kontrollen trägt.
Beispiel:
Stellt eine Krankenkasse einem Versicherten ein Hilfsmittel zur Verfügung, bleibt sie Betreiberin, solange das Gerät in ihrem Eigentum bleibt. Wird das Gerät durch einen Leistungserbringer (z. B. Sanitätshaus) geliefert, geht die Betreiberpflicht auf diesen über.
Einweisung und Dokumentation – was ist zu beachten?
- Einweisungspflicht für alle Produkte: § 4 betont, dass Produkte nur ihrer Zweckbestimmung entsprechend und von Personen mit entsprechender Ausbildung oder Erfahrung betrieben werden dürfen. Eine Einweisung in die ordnungsgemäße Handhabung ist grundsätzlich verpflichtend. Ausnahmen gelten lediglich für selbsterklärende Produkte (z. B. für Laien bestimmte Blutdruckmessgeräte) oder wenn bereits eine Einweisung in ein baugleiches Produkt erfolgt ist. Für Software muss nach jedem Update, das die Handhabung wesentlich ändert, eine erneute Einweisung erfolgen – ein Aspekt, den Betreiber bei Wartungsverträgen mit Herstellern berücksichtigen sollten.
- Verbindung und IT‑Sicherheit: Benutzer müssen sich vor Benutzung von der Funktionsfähigkeit des Produkts überzeugen und die Gebrauchsanweisung beachten. Für vernetzte Produkte sind beim Anschluss an ein Netzwerk die Anforderungen des Herstellers an die digitale Infrastruktur und die Informationssicherheit zu berücksichtigen. Betreiber von Software müssen nach § 17 MPBetreibV angemessene IT‑Sicherheitsüberprüfungen durchführen oder durchführen lassen. Diese Überprüfungen sind spätestens alle zwei Jahre zu wiederholen; sie sollen Risiken frühzeitig erkennen und sind zu dokumentieren. Dadurch wird Cyber‑Security zum festen Bestandteil der Betreiberpflichten von (Medizin-)produkten.
Instandhaltung, STK und MTK – aktuelle Anforderungen
Instandhaltung: Betreiber haben Produkte sowie mit Produkten verbundene Gegenstände instand zu halten oder instand halten zu lassen. Dazu gehören Wartungen, Inspektionen und die Installation sicherheitsrelevanter Software‑Updates. Nach der Instandhaltung müssen sicherheitsrelevante Merkmale geprüft werden.
Sicherheitstechnische Kontrollen (STK): § 12 schreibt vor, dass für Produkte der Anlage 1 spätestens alle zwei Jahre sicherheitstechnische Kontrollen nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik durchzuführen sind. Besteht aufgrund der Nutzungsbedingungen das Risiko, dass Mängel früher auftreten, müssen STK durch den Betreiber entsprechend früher veranlasst werden. Dem Fachmann dürfte hierbei nicht entgangen sein, dass entgegen der seit vielen Jahren u. a. in der BetrSichV oder ArbStättV geforderten Gefährdungsbeurteilung, in der die Ermittlung von Prüffrist, Prüfart und Prüfumfang integraler Bestandteil ist, in der neuen MPBetreibV die Ermittlung und Bemessung von Prüffristen bei Produkten der Anlage 1 MPBetreibV weitestgehend beseitigt worden ist. Laut amtlicher Begründung[1] zu § 12 MPBetreibV sei es vielen Betreibern schwergefallen, entsprechende Prüffristen, mit den Mängel rechtzeitig festgestellt werden können, angemessen festzulegen. Daher ist zunächst das Intervall von 2 Jahren einzuhalten. Mit „gesundem Menschenverstand“ darf man sich Fragen stellen:
- Wenn heutzutage eine Kaffeemaschine oder Mehrfachsteckdosenleiste auf Seite des Arbeitgebers einer Gefährdungsbeurteilung unterliegen muss – warum sollte dies bei einem Beatmungsgerät nicht so sein?
- Wie verbleibt der Gesetzgeber bei der Regelungslücke zur Beurteilung und Konkretisierung von Prüffrist, Umfang und Prüfart bei Medizinprodukten, die nicht unter Anlage 1 MPBetreibV fallen oder anders ausgedrückt: Wann wird verdeutlicht, dass bei Medizinprodukten abseits der Anlage 1 MPBetreibV die Vorgaben des § 5 DGUV Vorschrift 3 anzuwenden sind.
Für Automatische Externe Defibrillatoren (AEDs), die zur Benutzung durch Laien vorgesehen sind, dürfen STK entfallen, wenn das Gerät selbsttestend ist und der Betreiber regelmäßige Sichtprüfungen durchführt und dokumentiert. Ab dem 1. Januar 2027 müssen neu in Betrieb genommene AEDs zusätzlich die Ergebnisse der Selbsttests dokumentieren und per Fernüberwachung an den Betreiber übermitteln; dann kann die Sichtprüfung anlassbezogen erfolgen. Der Betreiber hat sicherzustellen, dass die Funktionsfähigkeit nach einem fehlgeschlagenen Selbsttest unverzüglich wiederhergestellt wird.
Messtechnische Kontrollen (MTK): Für in Anlage 2 aufgeführte Produkte sind MTK nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik durchzuführen. Die MPBetreibV verweist auf den Leitfaden der Physikalisch‑Technischen Bundesanstalt; Betreiber müssen die jeweils aktuellen Vorgaben beachten.
Bestandsverzeichnis: Betreiber müssen für alle aktiven nicht implantierbaren Produkte ein Bestandsverzeichnis führen. Einzutragen sind unter anderem Bezeichnung, Typ, Seriennummer, Anschaffungsjahr und Standort des Produktes.
Aufbereitung und Einmalprodukte
Die neue MPBetreibV hat einen eigenen § 9 zur Aufbereitung und Weiterverwendung von Einmalprodukten eingefügt. Dieser regelt erstmals klar, unter welchen Bedingungen bestimmte Einmalprodukte keimarm oder steril wiederaufbereitet werden dürfen und wann dies explizit verboten ist. Betreiber müssen dabei die entsprechenden Validierungs- und Zertifizierungsanforderungen beachten.
Beauftragte für Medizinproduktesicherheit
Wie in der alten Fassung müssen Gesundheitseinrichtungen mit mehr als 20 Beschäftigten einen Beauftragten für Medizinproduktesicherheit benennen. Die Person dient als Kontaktstelle für Behörden, Hersteller und Betreiber, koordiniert interne Prozesse zur Meldung von Vorkommnissen und sorgt für die Umsetzung von Sicherheitskorrekturmaßnahmen im Rahmen der Marktüberwachung. Eine Funktions‑E‑Mail-Adresse muss auf der Internetseite der Einrichtung bekannt gemacht werden.
Fazit und Ausblick
Die neue MPBetreibV erweitert den Geltungsbereich deutlich: Sie umfasst nun sowohl klassische Medizingeräte als auch Software, Zubehör und einige In‑vitro‑Diagnostika. Wichtige Neuerungen betreffen die klare Definition von Betreiber, Benutzer und Versorgenden, die Pflicht zur Einweisung – insbesondere nach Software‑Updates –, strengere Anforderungen an STK mit Sonderregelungen für AEDs und die Einführung von IT‑Sicherheitsüberprüfungen.
Für Betreiber von medizinischen Produkten bedeutet das vor allem: Die Umsetzung der geänderten Anforderungen voranzutreiben und den Beschäftigten bekannt zu unterweisen.
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[1] Bundesrat – Drucksache 251/24
Autoren:
Florian Scheller, MEBEDO Akademie GmbH, BDSH e. V. geprüfter Sachverständiger Elektrotechnik
René Rethfeldt, MEBEDO Akademie GmbH und MEBEDO Consulting GmbH, Geschäftsführer und BDSH e. V. geprüfter Sachverständiger Elektrotechnik
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