Coworking Spaces – durch die Brille der Elektrosicherheit
| Benjamin Andres | Zukunftsthemen, Rechtssichere Organisation Elektrotechnik
Mit der Corona-Pandemie hat das Konzept des Coworking Spaces deutlich an Bedeutung gewonnen. Die ursprüngliche Idee war, Freiberuflern und kleinen Start-ups eine temporäre Arbeitsumgebung zu bieten, in der sie sich in offenen, gemieteten Räumen austauschen und gemeinsam an Projekten arbeiten konnten. Gleichzeitig ermöglichten diese Räume auch eine unabhängige und räumlich voneinander getrennte Arbeitsweise.
Der Vorteil dieses Modells ist offensichtlich: Schnelle Zugänge zu wichtigen Infrastrukturen wie Internet, Telefon, Druckern, Scannern, Beamern und Meetingräumen stehen zur Verfügung und können nach Bedarf genutzt werden. Doch welche Verantwortlichkeiten kommen mit diesem Modell auf den Betreiber des Coworking Spaces sowie den Arbeitgeber des Mitarbeiters zu, der dieses Angebot wahrnimmt?
Wer übernimmt die elektrotechnische Verantwortung in einem Coworking Space?
Die Verantwortung für die elektrotechnische Ausstattung in einem Coworking Space liegt zum Teil beim Vermieter und zum Teil beim Mieter. Auf der einen Seite stellt der Vermieter die elektrotechnische Infrastruktur, wie etwa Stromversorgung, Netzwerktechnik und Arbeitsmittel, gegen Entgelt (Miete) zur Verfügung. Er sorgt dafür, dass diese Anlagen funktionsfähig, sicher und den gesetzlichen Vorgaben entsprechend gewartet werden. Auf der anderen Seite hat der Mieter die Verantwortung, die vom Vermieter bereitgestellten Arbeitsmittel ordnungsgemäß zu nutzen oder eigene Geräte, die er vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt bekommen hat, sicher und effizient einzubringen.
Gemäß Artikel 14 (2) des Grundgesetzes verpflichtet sich Eigentum, dem Wohle der Allgemeinheit zu dienen. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass niemand durch die Nutzung dieser Anlagen geschädigt werden darf. Das juristische Gefüge zwischen Mieter und Vermieter wird grundsätzlich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Aus §§ 535, 536 BGB folgt die gesetzliche Pflicht des Vermieters, die Mietsache in einem zum vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und zu erhalten. Der Fokus liegt hier auf der elektrischen Anlage und den Betriebsmitteln des Coworking Spaces.
Wie stellt man sich organisatorisch möglichst rechtssicher auf?
Um sich organisatorisch rechtssicher aufzustellen, sollten Vermieter und Mieter im Coworking-Space klare, schriftliche Verträge abschließen, die alle relevanten Punkte wie Haftung, Nutzung von Arbeitsmitteln und Wartung regeln. Der Vermieter muss sicherstellen, dass die elektrotechnische Infrastruktur den Sicherheitsvorschriften entspricht, regelmäßige Wartung erfolgt und Datenschutzrichtlinien eingehalten werden. Eine transparente Kommunikation der Regeln, regelmäßige Prüfungen und klare Haftungsregelungen sind essenziell für eine rechtssichere Nutzung der elektrischen Anlagen.
Die gesetzliche Grundlage für das Errichten und Betreiben elektrischer Anlagen ist im Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG) verankert. Nach § 49 (1) EnWG sind Energieanlagen so zu errichten und zu betreiben, dass die technische Sicherheit gewährleistet ist. Dabei sind, vorbehaltlich anderer Rechtsvorschriften, die allgemein anerkannten Regeln der Technik zu beachten. In § 49 (2) EnWG wird explizit auf die Bestimmungen des Verbandes der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e. V. (VDE) verwiesen. Die VDE-Normen erhalten somit im Rahmen der allgemein anerkannten Regeln der Technik einen quasi rechtsverbindlichen Charakter.
Die Normengrundlage für das Errichten von Niederspannungsanlagen ist die DIN VDE 0100 und deren Untergruppen. Für die Prüfung elektrischer Anlagen wird zwischen der Erstprüfung (DIN VDE 0100-600:2017-06, Abs. 6.4) und der wiederkehrenden Prüfung (DIN VDE 0105-100/A1:2017-06, Abs. 5.3.3.101) unterschieden.
Neuere Entwicklungen in den Normen und Vorschriften
- DIN VDE 0100-722 (Ladeeinrichtungen für Elektrofahrzeuge): Diese Norm wurde überarbeitet, um die Sicherheitsanforderungen an Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge zu regeln. In Coworking Spaces, die auch Ladestationen für Elektroautos anbieten, wird diese Norm zunehmend relevant.
- Smart Grids und vernetzte Geräte: Die zunehmende Integration von Smart Buildings und vernetzten Geräten in gewerblichen Räumen erfordert Anpassungen an die VDE-Normen, um die Sicherheit dieser Systeme zu gewährleisten.
Beispiel zur Veranschaulichung
Um das Geflecht aus Normen und Vorschriften besser zu veranschaulichen, möchten wir an dieser Stelle das fiktive Beispiel des Bürokaufmanns Olaf aufzeigen.
Olaf ist Sachbearbeiter im Unternehmen „Hochbau Mustermann“ und wurde von seinem Chef in die Räumlichkeiten des Coworking Spaces von Herrn Schmitz eingemietet. Neben den eigens mitgebrachten Arbeitsmitteln wie Notebook, Headset und zugehörigen Netzteilen nutzt Olaf auch die von Herrn Schmitz bereitgestellten Arbeitsmittel. Ebenso verwendet Olaf in der Gemeinschaftsküche die bereitgestellten Geräte wie Wasserkocher, Kaffeemaschine und Toaster.
Um nun aus elektrotechnischer Sicht rechtssicher aufgestellt zu sein, müssen der Unternehmer „Hochbau Mustermann“ und Herr Schmitz sicherstellen, dass die Anforderungen der verschiedenen Regelwerke eingehalten werden.
Herr Schmitz hat dafür Sorge zu tragen, dass alle Arbeitsmittel, Geräte und Anlagen, die er im Coworking Space zur Verfügung stellt, auf ihre Sicherheit und ihren Einsatzzweck hin geprüft wurden und deren Prüfzyklen im angemessenen Rahmen liegen. Dies stellt sicher, dass Fehler oder Mängel rechtzeitig erkannt werden. Die Fristen hierfür werden durch eine Gefährdungsbeurteilung festgelegt. Auf diese Weise bleibt der ordnungsgemäße Zustand der elektrischen Anlage und der Betriebsmittel erhalten.
Wichtig ist: „Wer schreibt, der bleibt“. Eine Dokumentation der genannten Vorgänge anhand entsprechender Bescheinigungen, Prüfprotokolle und Gefährdungsbeurteilungen ist unerlässlich, um nachzuweisen, dass der Betreiber seiner Sorgfaltspflicht nachgekommen ist.
Ebenso hat Olaf darauf zu achten, dass er ausschließlich Arbeitsmittel verwendet, die durch seinen Arbeitgeber, „Hochbau Mustermann“, gemäß dem Arbeitsschutzgesetz (§ 3 ArbSchG) organisiert, nach der Betriebssicherheitsverordnung §4 (BetrSichV) geprüft und zur Verwendung freigegeben wurden. So wird gewährleistet, dass nur Arbeitsmittel eingesetzt werden, die bei bestimmungsgemäßer Nutzung Sicherheit und Gesundheitsschutz bieten und für die vorgesehene Verwendung geeignet sind.
Anmerkung
Für die vom Arbeitgeber bereitgestellten Arbeitsmittel muss dieser die Gefährdungen systematisch ermitteln und bewerten. Dabei sind nicht nur die Wechselwirkungen der Arbeitsmittel untereinander, sondern auch deren Interaktion mit der Arbeitsumgebung (z. B. eigene Arbeitsstätte, angemietete Räumlichkeiten, Coworking Space, Homeoffice) zu berücksichtigen. Nach der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung werden die Schutzmaßnahmen gemäß dem „Stand der Technik“ festgelegt, um die Sicherheit und Gesundheit der Nutzer zu gewährleisten. Ein wichtiger Aspekt sind hierbei die ergonomischen Faktoren, die sich aus dem Zusammenspiel von Arbeitsplatz, Arbeitsmitteln, Arbeitsorganisation, Arbeitsabläufen und Arbeitsaufgaben ergeben.
Des Weiteren ist der Arbeitgeber für die Organisation der Prüfung der Arbeitsmittel auf sicheren Betrieb und für die korrekte Dokumentation verantwortlich. Auf Basis der Gefährdungsbeurteilung legt er Art, Umfang und Fristen für erforderliche Prüfungen von Arbeitsmitteln fest.
Die Arbeitsmittel selbst, ob bereitgestellt durch den Vermieter des Coworking Spaces oder den Arbeitgeber, werden gemäß DGUV-Vorschrift 3, der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV), konkretisiert durch die TRBS 1201, sowie nach den jeweils anzuwendenden VDE-Normen (z. B. DIN VDE 0702) geprüft. Der Arbeitgeber hat sich außerdem zu vergewissern, dass die ihm durch den Vermieter bereitgestellten Arbeitsmittel für den jeweiligen Einsatzzweck geeignet und geprüft sind. Dies kann er sich vom Vermieter bestätigen lassen. Zudem sollte der Benutzer vor der Verwendung von Arbeitsmitteln diese auf offensichtliche Mängel und Schäden begutachten.
Durch die fortschreitende Digitalisierung und Vernetzung von Arbeitsmitteln muss besonders bei vernetzten Geräten, wie etwa den Internet of Things-Geräten (IoT), sowie die Integration intelligenter Arbeitsplatzlösungen noch stärker auf Datensicherheit geachtet werden.
Fazit
Beide Parteien, der Vermieter des Coworking Spaces und der Arbeitgeber des Mitarbeiters, der diesen Coworking Space nutzt, haben aus elektrotechnischer Sicht entsprechende Pflichten zu erfüllen.
Der Vermieter ist gesetzlich verpflichtet, die Mietsache in einem zum vertragsmäßigen Gebrauch geeigneten Zustand zu überlassen und zu erhalten. Nachweise für durchgeführte Prüfungen, sowie ein entsprechendes Instandhaltungsmanagement dienen dabei als Belege. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, bei der Auswahl des angemieteten Arbeitsumfeldes die tatsächliche Eignung und die Arbeitsschutzaspekte zu überprüfen und gegebenenfalls bestätigen zu lassen. Außerdem muss er die Arbeitsmittel, die er seinen Mitarbeitern zur Verfügung stellt, geeignet auswählen, von einer „Zur Prüfung befähigten Person“ nach TRBS 1203 prüfen lassen und für deren fachgerechte Instandhaltung sorgen.
Autor: Benjamin Andres, MEBEDO Akademie GmbH
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