Ü20-PV-Anlagen: Neue Erkenntnisse und Anforderungen aus der VdS 3145 – was Elektrofachkräfte jetzt beachten sollten
| Niclas Künkler | Prüfen & Praxis, Zukunftsthemen, Energie
Mit der aktuellen Ausgabe der VdS 3145 (Stand: 2025-06) geraten Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen), die älter als 20 Jahre sind – sogenannte Ü20-Anlagen – stärker in den Fokus. Im Abschnitt 4.7.2 wird erstmals explizit auf typische Risiken solcher Altanlagen hingewiesen. Werden Komponenten verändert, erweitert oder ersetzt, empfiehlt die VdS eine besonders umfangreiche Prüfung.
Wichtig: Die VdS 3145 ist nicht gesetzlich verpflichtend, sondern eine technische Empfehlung, die auf Schadenerfahrungen basiert und von Versicherern zur Risikobewertung herangezogen wird. Für Fachkräfte liefert sie wertvolle Erkenntnisse sowie Hinweise zur Risikominimierung.
Warum ältere PV-Anlagen besonders prüfpflichtig sind
Viele PV-Anlagen sind heute seit über zwei Jahrzehnten im Einsatz – häufig mit Komponenten, die technisch überholt sind oder altersbedingt Mängel aufweisen. Gerade im Zusammenhang mit Umbauten oder Wiederinbetriebnahmen sollte der Zustand der Anlage kritisch hinterfragt werden.
Typische Schwachstellen bei Ü20-Anlagen:
- Korrodierte oder gealterte Leitungsverbindungen
Über die Jahre können Feuchtigkeit, Temperaturschwankungen oder UV-Strahlung die Qualität von Leitungsverbindungen stark beeinträchtigen. Das führt zu erhöhten Übergangswiderständen, erhöhter Wärmeentwicklung und im schlimmsten Fall zu Lichtbögen oder Brandgefahr. - Isolationsmängel an Kabeln und Komponenten
Isolationsmaterialien altern mit der Zeit. Spröde oder poröse Isolierungen können zu gefährlichen Spannungsüberschlägen, Kriechströmen oder Erdschlüssen führen – insbesondere bei nicht regelmäßig gewarteten Anlagen oder hoher Belastung durch Umwelteinflüsse. - Nicht mehr normgerechte oder veraltete Komponenten
Viele Altanlagen enthalten Bauteile, die heutigen Normen nicht mehr entsprechen. Dazu zählen u. a. Wechselrichter ohne modernen Fehlerlichtbogenschutz, veraltete DC-Stecksysteme oder fehlende Abschaltmöglichkeiten auf der DC-Seite. Diese Bauteile stellen ein erhöhtes Risiko für Fehlfunktionen dar. - Hot-Spots und Zellschäden in PV-Modulen
Defekte Bypassdioden, Zellbrüche oder Teilverschattungen führen bei Altanlagen oft zu sogenannten Hot-Spots – lokal begrenzten Überhitzungen auf der Moduloberfläche. Diese können nicht nur den Ertrag mindern, sondern auch langfristig die Sicherheit der Anlage gefährden. - Mechanische Schäden durch Alterung oder Wetterextreme
Wind, Schnee, Hagel, UV-Strahlung oder thermische Belastungen setzen Montagesystemen und Trassen über Jahre hinweg zu. Lose Modulklemmen, gebrochene Halterungen oder beschädigte Kabelkanäle sind typische Folgen, die häufig erst bei einer Sichtkontrolle auffallen. - Einflüsse durch Tiere: Nagetiere und Vögel als Risikofaktor
Marder, Mäuse oder Ratten verursachen durch Kabelverbiss regelmäßig schwer erkennbare Schäden – vor allem im Bereich der DC-Verkabelung. Vögel wiederum nutzen PV-Module gerne als Nistplatz, was nicht nur die Hinterlüftung beeinträchtigt, sondern auch zur Verunreinigung oder mechanischen Beschädigung führen kann.
Vorgenannte Risiken können die elektrische Sicherheit sowie den Ertrag erheblich beeinträchtigen.
Was sich in der Praxis aus der VdS ableiten lässt:
Die VdS 3145 (Kapitel 4.7.2) fordert für PV-Anlagen mit mehr als 20 Jahren Betriebsdauer eine besonders umfangreiche Prüfung, wenn es zu Veränderungen oder Umbauten kommt – etwa durch den Tausch des Wechselrichters, die Erweiterung der PV-Fläche oder die Nachrüstung eines Speichers. Zwar enthält das Dokument keine verbindlichen Prüfumfänge, doch aus fachlicher Sicht lassen sich aus der beschriebenen Risikolage praxisnahe Maßnahmen ableiten, die auch bei einem Weiterbetrieb der Anlagen ratsam sein können.
Die folgende Übersicht dient daher als redaktionell erstellte Orientierung für Elektrofachkräfte:
Wechselrichtertausch (Ü20-Anlage)
| Prüfmaßnahme | Priorität | Begründung |
|---|---|---|
| Sichtprüfung | erforderlich | Erkennung von Schäden an DC-/AC-Leitungen, Anschlüssen, Gehäusen – besonders bei alten Installationen wichtig. |
| Messungen | erforderlich | Prüfung der DC-Isolation und Schutzmaßnahmen nach Änderung der elektrischen Eigenschaften. |
| Thermografie | optional | Kann lokale Hitzequellen aufdecken, z. B. durch lose Klemmen. |
| Dokumentation prüfen | erforderlich | Stromlaufpläne, technische Daten, Schutzkonzepte müssen aktualisiert werden. |
Speicher-Nachrüstung
| Prüfmaßnahme | Priorität | Begründung |
|---|---|---|
| Sichtprüfung | erforderlich | Sichtkontrolle neuer Verbindungen, Schutzgeräte, Montagesysteme – häufig Schnittstellenprobleme. |
| Messungen | erforderlich | Spannungsfall, Isolationswerte und Schutzkonzepte können sich ändern. |
| Thermografie | erforderlich | Zusätzliche thermische Belastung möglich – Lüftung, Klemmen, Kontakte prüfen. |
| Dokumentation prüfen | erforderlich | Erheblicher Eingriff in das System – Dokumentation als Nachweis notwendig. |
Erweiterung des PV-Modulfelds
| Prüfmaßnahme | Priorität | Begründung |
|---|---|---|
| Sichtprüfung | erforderlich | Kontrolle von Kabelwegen, Übergängen zwischen Neu- und Altanlage, Wettereinwirkungen. |
| Messungen | erforderlich | Neue Modulfelder verändern Spannungs- und Stromwerte – Prüfung notwendig. |
| Thermografie | erforderlich | Unterschiedlich gealterte Module können thermisch auffällig reagieren. |
| Dokumentation prüfen | erforderlich | Neue Strings, Leitungsverläufe und Gerätekonfiguration müssen aufgenommen werden. |
Wiederinbetriebnahme nach Stillstand
| Prüfmaßnahme | Priorität | Begründung |
|---|---|---|
| Sichtprüfung | erforderlich | Prüfen auf Tierverbiss, Korrosion, Witterungsschäden oder Montagefehler nach langer Inaktivität. |
| Messungen | erforderlich | Alterung der Isolation und Funktion der Schutzmechanismen muss geprüft werden. |
| Thermografie | erforderlich | Fehlerhafte Kontakte oder Hot-Spots treten oft bei Reaktivierung zutage. |
| Dokumentation prüfen | erforderlich | Vor Wiederinbetriebnahme muss der aktuelle Stand nachvollziehbar sein. |
Laufender Betrieb ohne Veränderung
| Prüfmaßnahme | Priorität | Begründung |
|---|---|---|
| Sichtprüfung | erforderlich | Frühzeitige Erkennung äußerlicher Schäden, z. B. durch Vögel, Witterung oder Materialermüdung. |
| Messungen | erforderlich | Regelmäßige wiederkehrende Prüfungen sind erforderlich. (nach VDE 0126 – 23 – 1 spätestens alle 4 Jahre) |
| Thermografie | sinnvoll | Frühzeitiges Erkennen von thermischen Fehlerbildern ohne invasive Prüfung. |
| Dokumentation prüfen | sinnvoll | Änderungen oder Reparaturen sollten sauber nachdokumentiert werden. |
Regelmäßige Wartung und Prüfung – auch ohne Umbau notwendig
Unabhängig von konkreten Veränderungen ist eine PV-Anlage grundsätzlich nicht prüf- und wartungsfrei. Auch im laufenden Betrieb sind regelmäßige Sichtkontrollen, Wartungen und Prüfungen unerlässlich, um Schäden frühzeitig zu erkennen und die Betriebssicherheit zu gewährleisten:
- Regelmäßige Sichtkontrollen: können auch von Laien durchgeführt werden (z. B. auf Kabel, Gehäuse, sichtbare Modulschäden).
- Ereignisabhängige Sichtkontrollen: nach Sturm, Gewitter oder mechanischen Einwirkungen (z. B. herabgefallene Äste).
- Reinigung: v. a. bei Wechselrichtern und Lüftungsgittern zur Vermeidung von Wärmestau.
- Fachgerechte Wartung: Eine jährliche Sichtprüfung durch einen Fachbetrieb wird empfohlen.
- Wiederkehrende Prüfung: Spätestens alle vier Jahre muss eine Prüfung nach VDE 0126 – 23 – 1 durchgeführt werden.
Diese Intervalle sind nicht nur bei Ü20-Anlagen wichtig, sondern grundsätzlich für den dauerhaften und sicheren Betrieb jeder PV-Anlage.
Für die Durchführung von Prüfungen braucht es Fachkompetenz
Ob besonders umfangreiche Prüfung nach VdS-Empfehlung oder regelmäßige Prüfungen sowie Wartungen – fundiertes Fachwissen ist Pflicht. Unsere PV-Messseminare richten sich gezielt an Elektrofachkräfte und vermitteln u. a.:
- Messverfahren: Gemäß relevanter Normen
- Praxisbeispiele: Typische Fehlerbilder in Altanlagen erkennen und einordnen
- Dokumentation: Anforderungen aus Betreiber- und Prüfersicht
EuP-PV: Für Dachdecker und Montagepersonal an der DC-Seite
Unser EuP-PV-Seminar richtet sich an nicht-elektrotechnische Fachkräfte wie Dachdecker, Zimmerer oder Monteure, die im Bereich der DC-seitigen PV-Installation tätig sind. Ziel ist es, sie elektrotechnisch zu unterweisen, sodass sie unter Anleitung einer Elektrofachkraft PV-Komponenten fachgerecht, normkonform und vor Allem sicher installieren können.
Planen, errichten und projektieren
Unsere Grundlagen Seminare zu PV-Anlagen vermitteln grundlegende Kenntnisse einer PV-Erzeugungsanlage. Von den Anforderungen einer kleinen Einfamilienhaus-Anlage, bis hin zu Großanlagen auf Industriedächern oder Freilandanlagen.
PHOTOVOLTAIK SEMINARE
Mit unseren praxisorientierten Seminaren liefern wir das passende Know-how – rechtssicher, praxisnah und mit direktem Mehrwert für die tägliche Arbeit.
Fazit

Die neue VdS 3145 macht unmissverständlich klar: Ü20-PV-Anlagen sind sicherheitstechnisch ein sensibles Thema – und erfordern bei Nutzungsumstellung, zusätzlich zu den bekannten regelmäßigen Prüfungen, eine besonders umfangreiche Prüfung durch qualifiziertes Personal. Wer hier als Elektrofachkraft oder EuP gut aufgestellt sein möchte, sollte sich jetzt fortbilden. Denn eines ist klar, es gibt keine prüf- und wartungsfreien PV-Anlagen.
Autor:
Niclas Künkler, BDSH e. V. geprüfter Sachverständiger, Projektingenieur Elektrotechnik
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