Horst und die späte Erkenntnis

| Hartmut Hardt | Prüfen & Praxis, Sicherheit

EFK ist nicht gleich EFK

Wie sollte man sich verhalten, wenn man im Nachhinein feststellt, einen fachlichen Fehler begangen zu haben?

Horst Eltmann ist Elektriker, 42 Jahre alt. Gelernt hat er in einem Handwerksbetrieb und nun hat ihm sein Chef zum 10-jährigen Firmenjubiläum einen Lehrgang zum Thema Prüfen geschenkt.

Auch nach 10 Jahren beruflicher Praxis – man lernt nie aus!

Horst war zwar der Meinung, dass er als gelernter Elektriker bestens über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt, ist aber dennoch recht gut gelaunt zum Seminar erschienen. Seine jahrelange praktische Erfahrung mit Anlagen- und Geräteprüfungen sollte ausreichend sein – so meinte er zumindest. Der Seminarleiter klärte am Anfang seine Teilnehmergruppe über einige rechtliche Themen auf.

  • Wer ist eine Elektrofachkraft?
  • Wer darf prüfen?
  • Warum wird geprüft?
  • Wie wird geprüft?
  • Mit welchem Messgerät wird geprüft?
  • Was ist eine „zur Prüfung befähigte Person“?

„Tja“, denkt sich Horst, „das sieht doch recht gut aus. Ich habe den Beruf gelernt und prüfe seit Jahren die elektrischen Anlagen und Geräte unserer Kunden.“

Nun ging es an die Grundlagen der Prüfungen.

An zwei Tagen erläuterte der Seminarleiter, was eine Prüfung eigentlich alles beinhaltet. „Wir prüfen nach BetrSichV und DGUV Vorschrift 3 bzw. 4.“ Upps, da wird jetzt etwas von Kennzeichnungspflichten nach DGUV Information 203-005 und einer abgelaufenen Nachrüstverpflichtung erzählt. Einige Geräte benötigen einen Wiederanlaufschutz. Bei elektrischen Anlagen wird zuerst die Durchgängigkeit der Schutzleiter geprüft. Bei Anlagenerweiterungen muss eine Isolationswiderstandsmessung
zwischen allen aktiven Leitern untereinander und gegen den PE ausgeführt werden.

Horst ist ein wenig verwundert

Sein Gesellenbrief allein war wohl doch nicht ausreichend. Er hat eine unruhige Nacht und wacht am nächsten Morgen mit einem schlechten Gewissen auf.

Horst hat letztens bei einem Privatkunden das Wohnzimmer neu installiert. Neue Steckdosen und aus der alten Serienschaltung für den Kronleuchter hat er eine dimmbare Ausschaltung errichtet. Die Reihenfolge der Prüfungen hat er nicht eingehalten. Aber im Nachgang und mit den neuen „Erkenntnissen“ betrachtet, war die Prüfung zwar nicht fachgerecht durchgeführt, das Ergebnis passte jedoch. Hier sagt sich Horst, dass er es zwar „nicht ganz richtig“ gemacht hat, aber im Endergebnis ist die elektrische Anlage sicher. Insofern ist er wieder gelassen, gelobt sich, die neuen Erkenntnisse zukünftig umzusetzen, und geht zum Frühstück. „Jetzt erstmal ein Käffchen.“, sagt sich Horst und geht zur Kaffeemaschine.

Da war es wieder, das schlechte Gewissen

Er war doch neulich in der Maschinenfabrik in seinem Wohnort und hat in den Büros die elektrischen Geräte geprüft. „Arbeitsmittel“ will er sie jetzt nennen. Aber wie hatte er sie doch gleich geprüft? Sein Chef gab ihm ein Messgerät, mit dem man schön schnell prüfen kann. Es ist batteriebetrieben – insofern entfällt auch dieser lästige PRCD-S, den der Betriebselektriker unbedingt sehen wollte. Wie war es doch gleich – die Ersatzableitstrommessung nannte der Seminarleiter „alternative Methode“. Und sie ist nicht für alle Geräte, also Arbeitsmittel, geeignet. Horst hat in der Teeküche im 2. Obergeschoss die Kaffeemaschine mit dem großartigen Display damit geprüft. Auch den neuen Wasserkocher, der sich von allein abschaltet, wenn man ihn von der Bodenplatte nimmt, wurde von ihm geprüft. Nun ist der Schrecken groß – die Prüfung beinhaltete nicht alle Messungen, die erforderlich wären, um die Sicherheit der Arbeitsmittel zu bestätigen.

Horst wird unruhig

Kann es sein, dass er bei den Geräten eventuell Fehler nicht gefunden hat? Kann es sein, dass gefährliche Zustände vorliegen, die zu Personenschäden führen können? Hat er eine Arbeitsaufgabe ausgeführt, für die er „fachlich nicht geeignet“ war? Der Seminarleiter sprach doch davon, dass man nur Prüfungen durchführen darf, von denen man mit Sicherheit weiß, dass man sie richtig durchführen kann. So hatte er es aus dem Seminar mitgenommen.

Jetzt stellt sich Horst die Frage, wie er sich verhalten soll. Die nächste Prüfung ist erst in zwei Jahren. Bis dahin vergeht noch viel Zeit.

„Was mache ich jetzt nur?“, fragt sich Horst. Soll ich zum Kunden gehen? Soll ich mit meinem Chef sprechen? Was mache ich, wenn mein Chef sagt, dass wir nichts machen, um den Kunden nicht zu verärgern? Horst befindet sich nun in einem Dilemma. Seine durchgeführte Prüfung hat er persönlich zu verantworten, da er die Fachverantwortung für sein Handeln trägt. Sicherlich ist sein Chef nicht ganz unschuldig daran. Schließlich hat er das Messgerät zur Verfügung gestellt und Horst fachlich nicht auf die Prüfaufgabe vorbereitet.


Wie verhält sich Horst Eltmann nun richtig? Diese Frage wird nur ein Jurist beantworten können. Aber auch hier ist es wichtig, einen fachlich geeigneten Juristen anzusprechen.

Was sagt der Jurist zu Horst?

Werde Dir Deiner Verantwortung bewusst, denn in unserer Rechtsordnung bist Du ein Garant für die Stimmigkeit Deiner Prüfleistungen und den dadurch zu schaffenden Zustand der Betriebssicherheit und des Gesundheitsschutzes.
Eine zur Prüfung befähigte Person schuldet eine ordnungsgemäße Leistungserbringung. Zivilrechtlich werden Abweichungen davon als Mangel bezeichnet, mit der Folge, dass Schadensersatzforderungen und Mangelfolgeschäden resultieren. Zwar ist grundsätzlich der Arbeitgeber von Horst im Außenverhältnis, also gegenüber dem Auftraggeber, in der Haftung, aber in einem Schadensfall kann bei einem grob fahrlässigen Sorgfaltspflichtverstoß auch der Beschäftige im Innenverhältnis gegenüber seinem eigenen Arbeitgeber anteilig haften.

„Spannender“, weil unmittelbar Horst betreffend, sind aber mögliche strafrechtliche Zuordnungen gegen diesen. Mit der Stellung als Garant geht eine eigenverantwortliche Schadensabwendungspflicht einher. Das bedeutet, dass der Garant dafür verantwortlich gemacht werden kann, dass er nicht das ihm mögliche Handeln zur Vermeidung eines Schadenseintritts eingebracht hat. Dadurch wird das „Unterlassen der gebotenen Handlung“ zu einem strafrechtlichen Vorwurf, der auch auf Fälle der fahrlässigen Körperverletzung oder Tötung Anwendung findet.

Woraus resultiert Horsts Schadensabwendungspflicht?

Horst ist eine zur Prüfung befähigte Person, was bedeutet, dass er in einem besonderen Maß über Fachwissen verfügt und davon ausgegangen werden darf, dass wenn diese besonderen Kenntnisse zur Anwendung kommen, absehbar eintretende Schadenereignisse frühzeitig abgewendet und Schadensfolgen erfolgreich verhindert werden können. Der Bundesgerichtshof führt hierzu in seiner Entscheidung vom 12. 01. 2010 (Aktenzeichen: 1StR 272/09) aus: „Eine strafrechtlich relevante
Hinweis- und Aufklärungspflicht im Rahmen vertraglicher Beziehungen setzt deshalb voraus, dass besondere Umstände –
wie etwa ein besonderes Vertrauensverhältnis, eine ständige Geschäftsverbindung, überlegenes Fachwissen oder generell Situationen, in denen der eine darauf angewiesen ist, dass ihm der andere die für seine Entschließung maßgebenden Umstände offenbart – vorliegen.“
Die juristische Denkweise ist schlüssig und auch für den Laien nachvollziehbar. Wäre die Prüfleistung von Horst fachgerecht, sorgfältig und normenkonform erfolgt, dann wäre das Prüfstück betriebssicher zu handhaben. Wird von den fachlich erforderlichen Sorgfaltsvorgaben abgewichen, dann ist von diesem Sicherheitsniveau nicht auszugehen.
Verwirklicht sich nun durch einen aus der defizitären Prüfung resultierenden Umstand ein Schadensereignis, dann ist das der haftungsbegründende Tatbestand – und Horst hat ihn zu verantworten bzw. Kenntnis davon und somit eine Pflicht, einen Schadenseintritt durch eine aktive Gegenhandlung (Meldung!) zu verhindern.


Elektriker und die „Juristerei“

In vielen Punkten bestehen Berührungspunkte zwischen der fachlichen Welt des Elektrikers und der juristischen Welt. Dieser kurze Beitrag zeigt auf, wie schnell sich der Elektriker in der Welt der Juristen wiederfindet. Eine in der Vergangenheit „schlecht durchgeführte“ Prüfung kann bei einem Schadenseintritt Folgen für den Elektriker haben, wenn er erkannte Fehler nicht meldet. Er kann sich nur Exkulpieren (von Schuld befreien), wenn er offen mit der Thematik umgeht. Wahre Stärke bedeutet auch, Fehler einzugestehen und proaktiv für Abhilfe zu sorgen.


 

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