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Die neue DIN EN 50678 (VDE 0701) und DIN EN 50699 (VDE 0702)

| Martin Griesbeck | Normen & Regelwerke, Prüfen & Praxis, Seminare und Schulungen, Sicherheit

Seit vielen Jahren beschäftigen wir uns mit der Prüfung ortsveränderlicher elektrischer Geräte. Ursprünglich galten dafür zwei Normen: die VDE 0701 für die Prüfung nach Instandsetzung oder Änderungen und die VDE 0702 für Wiederholungsprüfungen. 2008 wurden beide Normen zusammengeführt, wodurch die VDE 0701-0702:2008-06 entstand. Diese Regelung erleichterte die Prüfarbeiten erheblich, da nur noch eine Norm beachtet werden musste. Allerdings wurde die kombinierte Norm im Jahr 2021 wieder getrennt, was zu einem Neustart der Prozesse führte.

Hintergrund der Trennung

Normen können auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene veröffentlicht werden. In Europa gilt das sogenannte Harmonisierungsgebot. Das Ziel ist, nationale Normen in den Mitgliedsländern des CENELEC zu vereinheitlichen. In manchen Ländern gab es Regelwerke nur für die Prüfung nach Instandsetzung, in anderen auch für Wiederholungsprüfungen. Die Inhalte der nationalen Regelungen waren oft sehr unterschiedlich. Eine Harmonisierung war deshalb notwendig. Für Deutschland war klar, dass Regelungen für die Wiederholungsprüfung erhalten bleiben müssen, da diese durch Vorschriften wie die DGUV Vorschrift 3, die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und die TRBS 1201 verpflichtend sind.

Die neuen Normen DIN EN 50678 und DIN EN 50699

Um die unterschiedlichen Anwendungsbereiche auf europäischer Ebene zu bearbeiten, wurden zwei Gremien gebildet:

  • DIN EN 50678 (VDE 0701): Zuständig für Prüfungen nach Reparaturen (über CLC/TC 85X „Measuring equipment for electrical and electromagnetic quantities“).
  • DIN EN 50699 (VDE 0702): Verantwortlich für Wiederholungsprüfungen (über BTTF 160-1 „Recurrent Test of Electrical Equipment“).

Veröffentlichung und Übergangsfristen:

  • DIN EN 50678 (VDE 0701): Veröffentlicht im Februar 2021, Übergangsfrist bis 16.12.2022.
  • DIN EN 50699 (VDE 0702): Veröffentlicht im Juni 2021, Übergangsfrist bis 21.09.2023.
    Die Übergangsfristen sorgten für Unsicherheiten. Die VDE 0701-0702:2008-06 wurde schließlich am 21.09.2023 vollständig zurückgezogen.

Anwendungsbereich der Normen

Die Normen gelten für:

  • Betriebsmittel oder Geräte mit einer Spannung von 25 V AC / 60 V DC bis 1000 V AC / 1500 V DC und Strömen bis 63 A.
  • Geräte, die über einen Typ-A-Stecker oder fest mit dem Endstromkreis verbunden sind.
  • Besonderheiten in Deutschland: Die Einschränkung für Typ-A-Stecker gilt hier nicht. Entsprechend fallen nahezu alle Geräte mit Netzstecker in den Anwendungsbereich. Geräte, die unter die Normenreihe der VDE 0100 fallen, sind jedoch ausgeschlossen.

Ziele der DIN EN 50678 (VDE 0701)

Die DIN EN 50678 definiert ein einheitliches Prüfverfahren zur Überprüfung der Schutzmaßnahmen an elektrischen Geräten nach Reparaturen. Ziel ist der Nachweis, dass das Gerät wieder sicher und in einem Zustand ist, wie vom Hersteller vorgesehen. Neben der elektrischen Sicherheit können auch zusätzliche Anforderungen, wie z. B. mechanische Sicherheit, relevant sein.

VDE 0701 – Gilt nicht für:

Bereiche und Geräte:

  • Wiederkehrende Prüfungen (DIN EN 50699)
  • Audio-/Video-, Informations- und Kommunikationstechnik (DIN EN 62368)
  • Unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USV, DIN EN 62040)
  • Ladestationen für E-Mobilität
  • Netzteile (auch DIN EN 62368)
  • Programmierbare Logik-Controller (SPS)
  • Antriebe
  • Geräte für EX-Zonen und Bergbau-Anwendungen
  • Medizinprodukte (DIN EN 62353)
  • Schweißgeräte (DIN EN 60974-4)
  • Maschinen (DIN EN 60204 und VDE 0105-100/A1)


Wesentliche Änderungen:

  • Norm gilt nicht für Wiederholungsprüfungen und Prüfungen von Informationstechnik.
  • Berechnungsgrundlage für Leitungen >1,5 mm² geändert.
  • Ableitstrommessung an isolierten Eingängen normativ festgelegt.
  • Messgeräte gemäß VDE 0413-16/IEC 61557-16 ergänzt.
  • Prüfung darf nur von Elektrofachkräften durchgeführt werden.
  • Ersatzableitstrom in alternativer Messmethode geändert.

 

Ziel der DIN EN 50699 (VDE 0702)

Die Norm dient dazu, Gefährdungen bei der Verwendung von Geräten frühzeitig zu erkennen. Schäden am Gehäuse oder an der Anschlussleitung sowie Verschmutzungen wie Staub und Dreck können sowohl für Anwender als auch für Anlagen gefährlich werden. Um Gefahren rechtzeitig zu identifizieren, sind regelmäßige Wiederholungsprüfungen erforderlich. Die Prüfintervalle werden anhand einer Gefährdungsbeurteilung festgelegt.

Wichtig: Eine Prüfung stellt immer eine Momentaufnahme dar. Das bedeutet, dass das Gerät zum Prüfzeitpunkt als sicher gilt. Tritt vor Ablauf der Prüffrist dennoch ein Schaden auf, war die Frist möglicherweise falsch bemessen. Geräte können zwischen den Prüfungen durch Nutzung beschädigt werden. Anwender sollten daher vor jeder Verwendung das Gerät auf sichtbare Mängel überprüfen, bevor es ans Stromnetz angeschlossen wird.

VDE 0702 – Gilt nicht für:

Bereiche und Geräte:

  • Prüfungen nach Reparatur (DIN EN 50678)
  • Typ-, Stück-, Abnahmeprüfungen
  • Geräte und Einrichtungen, die Teil elektrischer Anlagen nach HD 60364 sind
  • Unterbrechungsfreie Stromversorgungen (USV, DIN EN 62040), Photovoltaik-Wechselrichter und Stromrichter
  • Ladestationen für E-Mobilität
  • Speicherprogrammierbare Steuerungen
  • Leistungsantriebe
  • Geräte für EX-Zonen und Bergbau-Anwendungen
  • Medizinprodukte (DIN EN 62353)
  • Schweißgeräte (DIN EN 60974-4)
  • Maschinen (DIN EN 60204 und VDE 0105-100/A1)


Wesentliche Änderungen:

  • Norm gilt nicht für Reparaturprüfungen von elektrischen Geräten.
  • USV-Geräte aus Anwendungsbereich ausgenommen.
  • Berechnungsgrundlage für Leitungen >1,5 mm² geändert.
  • Ableitstrommessung an isolierten Eingängen normativ festgelegt.
  • Verwendung von Messgeräten nach DIN EN 61557-16 (VDE 0413-16) ergänzt.
  • Ersatzableitstrom in alternativer Messmethode geändert.
  • Prüfmethodik und Änderungen im Detail
  • Prüfschritte nach Normen:
  • Die Prüfung nach Reparatur (VDE 0701) ist umfangreicher als die Wiederholungsprüfung (VDE 0702).


Wichtige Änderungen allgemein:

1. Grenzwert für Schutzleiterwiderstand wurde angepasst:

  • Für Leitungen >1,5 mm² gilt nun die Formel:

    Parameter:
    R der elektrische Widerstand (Ω);
    p der spezifische Widerstand ((Ω mm²)/m) für das Metall, das für den Schutzleiter verwendet wird;
    l die Länge der Leitung (m);
    A der Querschnitt des Leiters (mm²);
    K die elektrische Leitfähigkeit (m/(Ω mm²)). Fester Übergangswiderstand von 0,1 Ω berücksichtigt.
  • Leitungen ≤1,5 mm² bleiben unverändert bei den bisherigen Grenzwerten.
  • Neue Berechnung führt z. B. bei Verlängerungsleitungen mit großen Querschnitten zu strengeren Grenzwerten.

2. Isolationswiderstand:

  • Geräte, die durch die Prüfung beschädigt werden könnten, sind ausgenommen.
  • Standard-Prüfspannung beträgt ≥500 V DC (Ausnahme: Geräte mit Überspannungsableitern, hier 250 V).
  • Haushalts- und Laienbedienbare Geräte müssen der Prüfspannung von 500 V standhalten.


Wichtige Änderungen für die Prüfung nach Reparatur:

1. Für jedes berührbare leitfähige Teil, das mit dem Schutzleiter verbunden ist und während der Reparatur sichtbar ist, muss eine zusätzliche Bestätigung erfolgen. Dadurch kann die Schutzleiterwiderstandsmessung bereits während der Reparatur notwendig sein.
2. Messung des Schutzleiter- und Berührungsstroms

Die drei gängigen Messmethoden bleiben weiterhin erhalten:

  • Direkte Methode,
  • Differenzielle Methode,
  • Alternative Methode (ehemals Ersatzableitstrom).

Neu: Die alternative Methode ist unzulässig für:

  • Spannungsabhängige Schalter,
  • Schaltnetzteile

Hintergrund: Bei der alternativen Methode wird statt Netzspannung nur eine Messspannung gegen PE angelegt. Dadurch können Geräte mit Schaltern (z. B. Relais, Schütze) nicht eingeschaltet werden. Es wird lediglich bis zum Schalter gemessen, nicht das gesamte Gerät.

Anwendungsbeispiel der alternativen Methode:

  • Technische Einschränkungen (z. B. Theater-Scheinwerfer mit hoher Einschaltlast).

Neu: Messung der Ableitströme an isolierten Eingängen

Diese Messung, bisher nur im informativen Teil der Norm, ist nun normativ verankert. Sie wird vor allem bei Geräten wie Oszilloskopen angewandt, um den Ableitstrom durch die Bemessungs-Eingangsspannung zu ermitteln.

Diese Messung wird in 3 Schritten durchgeführt

  1. Schutzleiter- und Berührungsstrom wie in 5.5 und 5.6 gefordert
  2. Messung an den isolierten Eingängen
  3. Berechnung des Gesamtableitstromes

Für den 1. Schritt ist entweder die Direkte Methode oder die Differenzielle Methode anzuwenden. Der 2. Schritt ist schon komplizierter. Hier muss eine sichere Spannungsquelle an die isolierten Eingänge herangeführt werden. Dies kann mittels der alternativen Methode und einem Messaufbau erfolgen. Bei der alternativen Methode wird je nach Messgerät, eine entsprechende Spannung angelegt. Das Gerät selbst rechnet dies intern auf 230V hoch.

Hierzu muss einmal gegen den Schutzleiter der Versorgungsleitung gemessen werden und mittels der Prüfsonde alle berührbaren, leitfähigen Teile, welche nicht mit dem Schutzleiter verbunden sind, abgetastet werden.

Die daraus resultierenden Werte müssen dann über eine Formel und die höchste anzunehmende Spannung, welche an den Eingangsklemmen des Geräts angegeben sind, hochgerechnet werden. In unserem Beispiel haben wir einen Wert von 0,4 mA gemessen und eine angegebene Eingangsspannung (Ue) von 1000 V:

Nun müssen diese hochgerechneten Messwerte, mit den zuvor gemessenen Schutzleiter- und Berührungsstrommessungen aus Schritt 1 addiert werden. Die normativ genannten Grenzwerte dürfen dabei nicht überschritten werden. Ohne einen geeigneten Messaufbau und Adaptern, ist diese Messung nicht möglich. Die Messgerätehersteller sind auch teilweise noch nicht bereit, diese Messung in ihren Messgeräten geeignet darzustellen.

Bestätigung weiterer Schutzmaßnahmen

Zusätzliche Maßnahmen, wie RCD oder PRCD, sind weiterhin zu prüfen. Nach einer Reparatur muss die Polarität der Netzstecker-Verdrahtung (z. B. L1 auf L1, N auf N, PE auf PE) bestätigt werden. Verpolungssichere Stecker sind korrekt anzuschließen.

Dokumentation

Die Dokumentation der Prüfungen wurde erweitert. Empfohlene Informationen:

• Identifikation des zu prüfenden Gerätes;
• die gemessenen Werte;
• Zeitpunkt und Datum der Prüfungen;
• Name der Person, die die Prüfungen durchführt;
• das Prüfergebnis insgesamt;
• das empfohlene Wiederholungsdatum;
• Kommentare zu den Prüfungen;
• die zur Durchführung der Prüfungen verwendete Prüfausrüstung;
• der/die Prüfer/in kann Gründe für geänderte Prüfverfahren angeben.

Die Digitale Dokumentation mit einer Prüfsoftware bietet Vorteile, insbesondere bei größeren Prüfvolumina. Prüf-Apps können Messgeräte ansteuern und Daten direkt speichern.

Fazit

Wie man sieht, muss das Rad nicht neu erfunden werden. Im Grunde ist es so, wer bisher korrekt geprüft hat, wird auch weiterhin die Prüfungen richtig durchführen. Gefühlt ist der Aufwand auf der organisatorischen Seite viel höher. Neben Anpassungen der Dokumentation im Bereich der rechtssicheren Organisation in der Elektrotechnik, müssen Prüfprotokolle, Prüfgeräte und Prüfsoftware umgestellt werden. Je nach Hersteller ist dies mit zusätzlichen Kosten verbunden.

 

Autoren:
Martin Griesbeck, MEBEDO Akademie GmbH, BDSH e. V. geprüfter Sachverständiger Elektrotechnik
Christoph Rademacher-Lieboner, MEBEDO Akademie GmbH, BDSH e. V. geprüfter Sachverständiger Elektrotechnik

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